27. Februar 2021

IT Carve-outs – Herausforderungen & Erfolgsfaktoren

„Right-sizing“, Fokus auf Kernkompetenzen, Devestition, Cash-Generierung –mögliche Gründe, weshalb sich Manager entscheiden Teile ihres Unternehmens abzuspalten und zu veräussern. Carve-outs sind also Bestandteil der natürlichen Weiterentwicklung eines Unternehmens. Im Folgenden beleuchten wir die Rolle der IT in den durch Merger & Acquisitions (M&A) getriebenen Unternehmensseparationen.

Carve-outs sind aus mehreren Gesichtspunkten komplex. Je stärker der herauszulösende Geschäftsbereich integriert ist, desto schwieriger wird es, diesen in eine eigenständige, marktfähige Einheit zu transformieren. Neben organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Herausforderungen müssen unzählige technische Fragestellungen gelöst werden. Und das, ohne dabei das Tagesgeschäft zu behindern. Die «Day One Readiness», also die ununterbrochene Businesskontinuität des operativen Geschäfts während des Übergangs in die neue Einheit steht an oberster Stelle – und hängt nicht zuletzt von einer erfolgreichen Vorbereitung der IT Landschaft ab.

Herausforderungen

Carve-outs müssen oft unter hohem Zeit- und Erfolgsdruck und mit wenig Vorlaufzeit durchgeführt werden. Termine werden durch den M&A-Transaktionsprozess vorgegeben und sind kaum beeinfluss- oder gar aufschiebbar – und Misserfolg ist keine Option. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Verfügbarkeit und Fähigkeiten der Mitarbeitenden, welche oft aus laufenden Aktivitäten und anderen Projekten kurzfristig abgezogen werden müssen. Und die Erfahrung mit Carve-out Projekten ist in vielen Unternehmen limitiert – dabei wäre das Projektteam besonders auf diese Erfahrung angewiesen, während es sich in einem hoch emotionalen und komplexen Umfeld bewegt.

Die IT-Separation ist eine «Operation am offenen Herzen», die Trennung der IT-Landschaft mit Infrastruktur und Applikationen während der Unternehmensbetrieb störungsfrei weiterlaufen muss – nicht selten erschwert durch hoch dynamische und unsichere Umstände.

Es ist nicht unbegründet, dass der IT Part eines Carve-outs bis zu 50% der Kosten des Gesamtprojekts ausmachen kann.

Kernaufgaben

In einem IT Carve-out sollten die Bereiche Infrastruktur und Applikationen getrennt voneinander analysiert werden, da diese, trotz Abhängigkeiten, spezifisch behandelt werden müssen. Organisatorisch ist zu empfehlen, für Infrastruktur und Applikationen jeweils separate Projektstreams vorzusehen.

Folgende Kernaufgaben müssen typischerweise im Bereich IT Infrastruktur erledigt werden:

  • Trennung der Netzwerke (LAN/WAN)
  • Trennung der Telefonie – bei VoIP-Anlagen in Abstimmung mit der Netzwerktrennung
  • Umstellung/Übergabe/Rückbau der Clients/Arbeitsplätze
  • Logische und/oder physische Trennung der Applikations-, Datenbank- und File-Server
  • Austausch und/oder Anpassung von Druckern
  • Austausch und /oder Anpassung von Email-Servern (Signaturanpassungen, Weiterleitungen)
  • Einrichtung von gesicherten Kanälen für die Datenübertragung an den Käufer
  • Vorbereitung eines Parallelbetriebs während der Übergangsphase («TSA-Phase»)
  • Ggf. Unterstützung der Käufer-IT beim Aufbau der Zielinfrastruktur

Folgende Kernaufgaben müssen typischerweise im Bereich IT Applikationen erledigt werden:

  • Identifikation und Analyse der für den abzuspaltenden Unternehmensbereich relevanten Applikationen
  • Trennung bzw. Anpassung von Berechtigungen auf bisher gemeinsam genutzten, partiell lokal verwalteten, Anwendungen
  • Trennung von ERP/SAP-Systemen inkl. Stamm- und Bewegungsdaten
  • Anpassung von Schnittstellen
  • Vorbereitung und Durchführung von zeitkritischen Datenextraktionen und -transfers an die Käuferschaft
  • Anpassung von Formularen – ggf. inkl. Rebranding
  • Ggf. Unterstützung der Käufer-IT beim Aufbau der Applikationslandschaft

Erfolgsfaktoren IT Carve-out

Folgende 5 Faktoren erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Carve-outs:

  1. Nutzerfokus
    Wie in jedem IT-Projekt sollten auch in einem Carve-out die Bedürfnisse und Anforderungen des Kunden – inkl. der Mitarbeitenden/Nutzer – im Zentrum stehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der abzuspaltende Unternehmensteil auch aus IT-Sicht nachhaltig aufgestellt und die Trennung erfolgreich ist.
  2. Transparenz und Informationsfluss
    Die betroffenen Mitarbeitenden sowie die anderen Teilprojekte des Carve-outs sollten jederzeit wissen, was läuft und was geplant ist, um Unsicherheiten maximal möglich zu reduzieren und Abhängigkeiten ans Licht zu bringen.
  3. Frühzeitige IT-Einbindung
    Die IT sollte bereits in den Vertragsverhandlungen eingebunden werden, um nachträgliche Überraschungen bezüglich IT Kosten zu vermeiden und um der IT eine optimale Vorbereitung für den Carve-out zu ermöglichen.
  4. Klare Projektplanung & regelmässiges Reporting
    Arbeitspakete, Meilensteine, Rollen und Verantwortungen sind klar zu definieren. Der Status ist regelmässig zu reporten.
  5. Enge Abstimmung
    Die IT des Käufers und des Verkäufers sollten sich entlang des gesamten Projekts eng abstimmen. Nur so kann Klarheit bezüglich Ausgangslage, Zielbild und weiteren Fragestellungen geschaffen werden.

aucoma SUSTAINABLE CONSULTING unterstützt Sie optimal in technischen und betriebswirtschaftlichen Belangen von Carve-outs. Unsere Expertise gründet auf zahlreichen, erfolgreich geführten Carve-outs im Erfahrungsschatz unserer Consultants.

Bei Interesse erfahren Sie mehr über das Vorgehen in einem IT Carve-out in unserem zweiten Beitrag.

Quellen
Leimeister, S.; Leimeister, J. M. & Krcmar, H. (2008): Erfolgsfaktoren für die systematische Durchführung von IT Carve Outs – Eine explorative Untersuchung.
In: Proceedings of Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI), München.

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Über Nils Reinthaler
Nils Reinthaler ist ein auf Digitale Transformation und M&A Projekte/Carve-outs spezialisierter Berater der aucoma. Er überzeugt mit mehrjähriger Erfahrung in Programm- und Projektleitung interdisziplinärer Teams, Strategie- und Geschäftsmodellentwicklung, Technologiemanagement sowie der Konzeption und Implementierung von Digitalisierungsinitiativen bis hin zum Aufbau von Digitalisierungsabteilungen («Digital Campus»). Diese Erfahrung stammt unter anderem aus den Branchen Luft- und Raumfahrt, dem Maschinenbau, der Fertigungsindustrie, dem industriellen Handel sowie der Medizinaltechnik. Als wertvolle Grundlage dienen ihm hierbei ein Bachelor in Elektrotechnik (ITET) sowie ein Master in Management, Technologie und Ökonomie (MTEC) der ETH Zürich.
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